Um Kristalle zu finden muss man kein Geologe sein - aber ein wenig Hintergrundwissen hilft! Danach braucht es viel Ausdauer,
Erfahrung und Motivation.
Jedes Gestein besteht aus Mineralien. Diese sind aber meistens nicht eigengestaltig, sondern unregelmässige, meist kleine Körner im Gestein, wie z. B. Quarz, Feldspat und Glimmer im Granit. Dazu kommen verschiedene weniger häufige Mineralien wie Titanit, Epidot, Turmalin, etc. Die gesteinsbildenden Mineralien bestimmen häufig die Gemeinschaft der Kluftminerale in diesem Gestein und geben somit einen Hinweis auf die zu erwartenden Funde.
Es gibt selbstverständlich Ausnahmen. So kann man in metamorphen Gesteinen, z. B. vielflächige Granate und langstengeligen Disthen (Kyanit) finden oder in Pegmatiten grosse eigengestaltige Turmaline und Berylle. Wesentlich häufiger entstehen schöne eigengestaltige Kristalle aber in einem Hohlraum im Gesteinskörper.
Damit ein Mineral schöne Kristalle mit ebenen Begrenzungsflächen ausbilden kann, braucht es also Platz:
In den Alpen ist dies in erster Linie in Zerrklüften der Fall.
In der Erdkruste wirken gewaltige Kräfte auf die Gesteine. Durch Überlagerung und Gebirgsbildung werden die ursprünglichen granitischen und sedimentären Gesteine mehr oder weniger stark umgewandelt: Aus Sandsteinen werden Quarzite, aus Tonsteinen Schiefer, Kalke werden zu Marmor und Granite zu (Ortho-) Gneisen.
Senkrecht zum herrschenden Druck entstehen Schieferungsflächen und Gneisschichten. Zudem ist ein Gesteinskörper niemals homogen. Er besteht aus festen und weniger festen Bereichen mit unterschiedlicher Zusammensetzung. Während der Gebirgsbildung und Hebung dieser Gesteine verhalten sich somit einige Bereiche eher plastisch und andere spröde. Während sich die plastischen Bereiche verformen, reissen die starren auf - es entsteht ein Hohlraum, der senkrecht zur Schieferung liegt: eine typische alpine Zerrkluft.
Die Grösse von Zerrklüften variiert sehr stark und kann von wenigen Zentimetern bis 10er von Metern reichen - und es müssen bei weitem nicht immer die grössten Klüfte sein, welche die besten Funde liefern. Je nach Fundgebiet und Gesteinsart lohnt es sich auch, die kleinsten Risse zu begutachten. So fand ich in einem unscheinbaren Feldspatband eine sehr interessante Paragenese aus Synchisit, Xenotim, Brookit, Rutil, Anatas, Quarz und Calcit.
Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, auch in Gebieten mit eher grösseren Klüften die kleinen Risse im ausgelaugten Nebengestein kurz zu untersuchen. Zum einen können sie sich überraschend rasch zu Hohlräumen weiten und zum anderen waren gerade hier häufig die lokalen Lösungsbedingungen so, dass seltene Minerale auskristallisieren konnten, wie z. B. Anatas, Hämatit, Synchisit oder Xenotim.
Sehr grosse Zerrklüfte mit einer Dimension von mehreren Metern waren meistens Kluftsysteme, die im ausgebeuteten Zustand den Eindruck eines einzigen, grossen Hohlraums hinterlassen.
Die schön auskristallisierten Mineralien entstanden z. T. bereits vor 20 Millionen Jahren als sich die entsprechenden Gesteine noch mehrere Kilometer tief unter der Erdoberfläche befanden. Mehrere hundert Grad heisse Lösungen füllten die Hohlräumchen und zersetzten das umgebende Gestein. Im Verlaufe der folgenden Jahrmillionen wurden die Klüfte durch die Gebirgsbildung stetig weiter gehoben. Das Mineralwachstum ging weiter. Temperatur- und Druck veränderten sich und dadurch auch die Zusammensetzung der Lösungen. Einige Minerale wuchsen nicht mehr weiter, andere kamen neu hinzu. Es konnte zu Auflösungserscheinungen kommen oder auch zu Einschlüssen in Quarzkristallen.
Durch Erschütterungen oder Schwächung des ausgelaugten Gesteins konnten sich die Mineralstufen von den Kluftwänden und der Decke lösen und in den Hohlraum fallen: Eine schöne "Schwimmerstufe" entstand.
Nun zum wohl wichtigsten Teil: Wie findet man Zerrklüfte?
Viel ist hierzu schon geschrieben worden. Klassischerweise unterscheidet der Strahler zwischen fernen und nahen Kluftanzeichen. Im Laufe der Jarhhunderte wurde es jedoch immer schwieriger die besonders einfach zu findenden Klüfte mit deutlichen Kluftanzeichen aufzuspüren. Heute braucht es viel Intuition und Gebietskenntnisse. Wie ein Dedektiv muss man die Anzeichen lesen und interpretieren....